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  • Das Selbstbestimmungsgesetz wird auf den Weg gebracht, aber….

Das Selbstbestimmungsgesetz wird auf den Weg gebracht, aber….

Ein Kommentar von Rebecca Broermann (trans*-peer Beraterin beim KCM Münster)

Nach monatelangen Überlegungen und Abwägungen zwischen Bundesfamilienministerin Lisa Paus von den Grünen und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gibt es zumindest die gute Nachricht, dass das veraltete Transsexuellengesetz (TSG) tatsächlich abgeschafft wird. Zumindest liegt jetzt ein Referentenentwurf vor, der schon bald im Bundestag vorgestellt werden könnte.

Das Wichtigste: Die Personenstandsänderung und die Vornamensänderung können trans Menschen, sowie nichtbinäre und intersexuelle Menschen demnach per Selbstauskunft vor dem Standesamt vornehmen. Damit werden Gutachtertermine, das Vorsprechen vor dem Amtsgericht und Kosten im niederen vierstelligen Bereich – so das bisherige Verfahren des TSG – endlich hinfällig. Jetzt kommt das erste ABER: Es wird noch ein kleines Wartezimmer geben. Erst nach drei Monaten wird diese Änderung auch rechtskräftig. Es soll eine Bedenkzeit sein, die Frage ist nur für wen? Wenn eh die staatliche Begutachtung wegfallen soll, machen diese drei Monate Wartezeit, bis beispielsweise eine trans Person endlich Bankkarten und Versicherungen ändern lassen darf und kann, auch keinen Sinn. Auf den ersten Blick sieht das nach einer Hinhaltetaktik aus, deren Sinn sich aber bei vielleicht bei der Diskussion im Bundestag erschließen lässt.

Das zweite ABER und das ist bei weitem größer: Denn es gibt einen deutlichen Verweis auf das Hausrecht in dem Gesetzentwurf. Was hat das Hausrecht mit Selbstbestimmung zu tun? Auf dem ersten Blick nichts – wenn es da nicht ein Szenario gäbe, wo sich erstaunlicherweise einige extreme Feministinnen und Politiker der extremen rechten Seite einmal einig sind. Es geht um den Fall, wenn eine trans Frau ohne geschlechtsangleichende Operation – sprich eine Frau mit Penis – beispielsweise eine Sauna betreten möchte, die Frauen vorbehalten ist. Kleine Anmerkung: ein anderer Fall mit anderen Genitalien wird nicht diskutiert. Während manche radikale Feministinnen darauf beharren, dass eine trans Frau immer ein Mann bleibt (den Chromosomen sei Dank!) und daher ihre mühsam erkämpften Rechte in Gefahr sehen, zeigt sich die rechte Politik nun plötzlich auch von ihrer scheinbar feministischen Seite.

Mit dem Verweis auf das Hausrecht wird dem Besitzer (dieses Wort ist geschlechtsneutral gemeint) der beispielhaften Sauna nun einerseits die Macht und gleichzeitig die Verantwortung zugeschustert. Verwehrt der Besitzer einer trans Person den Zutritt, trifft ihn der Zorn der queerfeministischen Community und ihrer Unterstützer. Erlaubt der Besitzer einer trans Person den Zugang, kochen die Emotionen derer hoch, die Frauenrechte und ihre Sicherheit in Gefahr sehen. Es ist bekannt, was eine vorsichtig gesagt leidenschaftliche Diskussion samt CancelCulture für Folgen haben kann – für den Besitzer aber auch für die Streitparteien in der fiktiven Sauna. Darüber hinaus muss dann auch für das Hausrecht geklärt werden, welche Äußerlichkeiten eine Frau ausmachen und welche nicht, damit der Besitzer auch genau weiß, wie Macht und Verantwortung des Hausrechtes vernünftigerweise genutzt werden können.

Während die Politik gefordert ist eine klare Richtlinie zu finden, die niemanden diskriminiert, müssen derweil die Aufklärungsstellen diesem populistischen Szenario den Zahn ziehen, weil es sonst niemand macht. Die meisten trans Menschen oder noch allgemeiner gesagt, viele queere Menschen meiden öffentliche, geschlechtsspezifische Räume, weil sie sich dort nicht willkommen fühlen. Weiterhin wird eine trans Frau, die noch nicht ihre geschlechtsangleichende Operation hatte, kaum in der Öffentlichkeit ihre Genitalien zeigen, denn das ist für sie meistens schon beim Arztbesuch beschämend.

Andersherum formuliert: Bei einem Menschen, der provozierend mit seinen Genitalien posiert und damit andere Menschen schockiert oder retraumatisiert, darf und muss ein Besitzer das Hausrecht anwenden und nach Anzeige muss eine Strafverfolgung stattfinden. Das ist die bestehende Rechtslage bei sexueller Belästigung, hat aber explizit nichts mit dem Selbstbestimmungsgesetz oder mit einer Geschlechtsidentität zu tun. Das Selbstbestimmungsgesetz soll es Menschen lediglich erlauben ihre Identität auszudrücken. Dass in der Öffentlichkeit jetzt mehr darüber diskutiert wird, welche Straftaten dadurch ermöglicht werden könnten, zeigt in welchem Licht queere Menschen immer noch betrachtet werden. Über den Führerschein wird auch nicht diskutiert, obwohl einige Menschen trotz Führerschein definitiv kein Auto fahren sollten.

Header-Bild: Bild von rawpixel.com auf Freepik.

Vom 29.03.2023
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